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Es werden Posts vom November, 2017 angezeigt.

Premierenkritik: Mozarts „La clemenza di Tito“ – Badisches Staatstheater Karlsruhe – 2017

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Unisex Titus in schönstem Klang – Premiere von Mozarts „La clemenza di Tito“ im Badischen Staatstheater Karlsruhe –  von Matthias Woehl Gerade eine Woche vorher habe ich in Essen einen zum Einschlafen langweiligen „Titus“ gehört, aber Karlsruhe hat mir den Spaß an Mozarts letzter Oper wieder zurückgegeben. Schon als das Orchester (Musikalische Leitung Gianluca Capuano) erklang war klar, das wird ein aufregendes Opernereignis. Vom Kaisermarsch bis zu den leiseren Stellen erkling differenziert und temporeich, überhaupt nicht langweilige, sondern inspirierte Musik, die auf das äußerste unterhält und berührt. Dazu entwickelt Regisseur und Kostümbildner Patrich Kinmonth ein wirklich ansehnliches Bühnenspektakel. Titus in Karlsruhe: Dilara Baştar (Sesto), Renatus Meszar (Publio), Katherine Broderick (Vitellia), Kristina Stanek (Annio), Chor des Badischen Staatstheaters Foto: Gregory Batardon Untersucht man es im Detail, ist man manchmal verwirrt, denn unterschiedliche K

Vor der Oper: Grosz im Haus Cumberland am Kurfürstendamm in Berlin

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Prunkvolles Café und Restaurant am Kurfürstendamm – Grosz im Haus Cumberland in Berlin –  von Klaus J. Loderer Flaniert man auf dem Kurfürstendamm, stößt man zwischen Bleitreustraße und Schlüterstraße auf einen großen historischen Baukomplex mit Risaliten, Erkern und großen Bogenöffnungen in mächtiger Rustikagestaltung. Es handelt sich um das Haus Cumberland mit wechselvoller Geschichte. Das Gebäude ist nach dem dritten Herzog von Cumberland benannt, der als Kronprinz Ernst August 1845 in Hannover geboren wurde. Sein Vater Georg V. war bis zur preußischen Annektierung letzter König von Hannover. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Ernst August von englischer Seite der Titel eines Herzogs von Cumberland entzogen. Sein Urenkel ist übrigens Ernst August von Hannover, der Ehemann von Prinzessin Caroline. Doch das sei nur beiläufig erwähnt. Grosz im Haus Cumberland in Berlin Foto: Klaus J. Loderer In einem der großen Bögen prangt der Name Grosz. Darin erkennt man in Berlin u

Opernkritik: „La Clemenza di Tito“ – Aalto-Musiktheater Essen – 2017

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Aalto-Musiktheater in Essen, Architekt Alvar Aalto Foto: Klaus J. Loderer Im Tiefschlaf macht es Puff Mozarts „La Clemenza di Tito“ im Aalto-Theater Essen – von Matthias Woehl – Alles fing ganz hoffnungsvoll an, ein Flughafen (beeindruckendes Bühnenbild von Thorsten Macht), ein ansprechendes Kostümbild, das wäre durchaus eine stimmige Inszenierung möglich gewesen. Doch leider versagt uns Regisseur Frederic Buhr eine solche, denn er macht: nichts. Seine Protagonisten stehen hilflos auf der Bühne herum, dazu wird manchmal der Chor drapiert, Handlung? Fehlanzeige. Dazu klimpert und fiedelt das Orchester des Aalto Theaters unter Tomas Netopil dermaßen „langsam“ und „gelangweilt“ herum, daß ich gleich hinfort schlummere. Gegen Ende des ersten Akts aber ein Highlight: es macht Puff auf dem Flughafen. Ein Terrorangriff? Hui, tolle Idee, ich bin kurz hellwach, Rauch, etwas Sand rieselt von der Decke, aber was passiert dazu? Jetzt wäre es möglich gewesen die Szene etwas aufre

Premierenkritik: Glucks Oper „Armide“ – Staatstheater Mainz

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Männer sind fett und Frauen sind Milchkühe  Premiere von Glucks „Armide“ im Staatstheater Mainz  – von Matthias Woehl –  Eine Oper über den Konflikt zweier Glaubensgruppen, eine Zauberin, Liebe, Leidenschaft, Verführung... und eine Regisseuse! Ja schade, so ein schönes Stück, so viele Möglichkeiten, doch Lydia Steier fällt dazu nicht allzu viel ein. Dicke barocke Männer, oder schlanke mit großen goldenen Dildos vor den Latz genäht, Frauen mit überdimensionalen Titten. Also wir lernen: Männer sind fett und Frauen sind Milchkühe. Von einer Zauberin, Verführungskünsten, gar der Liebe zwischen Armide und Renaud, gibt es wenig zu sehen. Eine Beziehung baut sich weder auf, noch geht etwas in die Brüche, bei Wutausbrüchen steht man gelangweilt herum, eigentlich findet die Geschichte kaum statt. Doch zu einem ist das Szenenmädel doch in der Lage: bei dem Paar, bei dem es am wenigsten passt, da kann man schönen Schwachsinn zeigen: Sidonie nimmt ihrem Artemidore (der ja eigentlich

Premierenkritik „La reine – die Königin“ – Nationaltheater Mannheim – 2017

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Nervtötende Langeweile in Trümmerfeld  – Angela Denoke mit Liedern von Hector Berlioz und Richard Wagner in wenig befriedigender szenischer Umsetzung –  von Klaus J. Loderer „Les nuits d’été“ von Hector Berlioz und die Wesendonck-Lieder von Richard Wagner gehören zu den schönsten Musikstücken des 19. Jahrhunderts. Am Nationaltheater Mannheim wurden sie zum Kern einer Produktion mit dem Titel „La reine / die Königin“. Angela Denoke sang beide Liederzyklen in einer Art szenischen Produktion. Die Musik blieb aber kühl. Benjamin Reimers hä tte das Orchester des Nationaltheaters Mannheim etwas luftig und weniger massiv dirigieren können – aber insgesamt war das Projekt musikalisch einigermaßen schön anzuhören. „La reine“ am Nationaltheater Mannheim: Frank Richartz und Angela Denoke Copyright: Hans Jörg Michel      Dekoriert wurden die beiden Liederzyklen allerdings leider mit allerhand Zutaten, die mehr oder weniger störten. Das Bühnenbild von

Premierenkritik: Glucks „Armide“ ­ – Staatstheater Mainz – 2017

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Oper im Möbellager  Langweilig geriet Glucks „Armide“ am Staatstheater Mainz  Man kann sich beim heute gar so prüden sog. nahen Osten kaum mehr vorstellen, daß diese Region als Orient hierzulande einmal als Synonym für fremdartige Erotik stand. Solchen Gefahren sind die Kreuzritter, die in Torquato Tassos Epos sich auf den Weg nach Jerusalem machen, durchaus ausgesetzt. Die Zauberin Armida, die den Helden Rinaldo verführt, ist ein s olches Beispiel, und besonders im 18. Jahrhundert populär, weil man mit dieser Geschichte Opern in exotischem Milieu und prachtvollen Bühnenbildern ansiedeln konnte. Kein Wunder, daß die Geschichte so oft vertont wurde. In Glucks Oper „Armide“ heißt das Paar dann französisch Armide und Renaud. Glucks Oper „Armide“ am Staatstheater Mainz Foto: Andreas Etter Wenn man nun eine Geschichte leicht in die Gegenwart übertragen könnte, dann diese, denn sie spielt ja in der Nähe von Damaskus, wo man sich ja gerade mal wieder eifrig mit

Erich Wolfgang Korngolds Oper „Die tote Stadt“ – Wiener Staatsoper – 2017

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Der Salon löst sich auf „Die tote Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold an der Wiener Staatsoper Erst am Ende bemerkt der Zuschauer, daß die eigentliche Handlung von Erich Wolfgangs Korngolds Oper „Die tote Stadt“ überhaupt nicht stattgefunden hat, sondern nur ein Alptraum war. Zur Verdeutlichung dieser surrealen Szenerie lässt Bühnenbildner Wolfgang Gussmann in Willy Deckers Inszenierung an der Wiener Staatsoper den riesigen Salon der ers ten Szene in heftige Schieflache geraten und sich mehr oder minder auflösen. Im Hintergrund taucht derselbe Salon verkleinert noch einmal auf als Spielfläche für die weiß gekleidete Komödiantentruppe. Das Porträt von Marie, der verstorbenen Frau der Hauptfigur Paul, spielt eine wichtige Rolle in der Inszenierung. Am Anfang lehnt es groß rechts an der Wand und liegt in Teile zerlegt auf dem Parkettfußboden, später bildet es vervielfacht den Bühnenhintergrund. Viele solch eindrückliche Bilder entfaltet Gussman im Laufe der Oper. Sehr wirkungsvoll

Offenbachs Opéra bouffe „Die schöne Helena“ – Komische Oper Berlin – 2017

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Barrie-Kosky-Revue auf Rollschuhen Offenbachs Opéra bouffe „Die schöne Helena“ an der Komischen Oper Berlin Stillstand gibt es hier nicht. Alles ist ununterbrochen in Bewegung. Das einzige, was in Barrie Koskys Inszenierung von Offenbachs Opéra bouffe „Die schöne Helena“ (La belle Hélène) an der Komischen Oper in Berlin still steht, sind die Kulissen. Diese zeigen uns eine Abfolge von Salons aus dem Zweiten französischen Kaiserreich: leicht ironisch verändert, in grellen Farben verfremdet oder als Seebad Nauplia gar als Kombination aus Säulenhalle und Hukusai-Welle. Einziges Sitzmöbel der Inszenierung ist ein Sofa, das im Laufe der Vorstellung immer länger wird. Nicole Chevalier als Helena in „Die schöne Helena“ an der Komischen Oper Berlin Foto: Iko Freese / drama-berlin.de Und noch ein zweites historisches Element gibt es: Ajax I und II treten zusammen mit Entourage in Husarenuniformen auf – allerdings mit Faltenrock und Rollschuhen (Kostüme Buki Shiff). Das erke

Operette „Mágnás Miska“ – Budapester Operettentheater – 2017

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Verwicklungen im ungarischen Schloß Albert Szirmais Operette „Mágnás Miska“ im Budapester Operettentheater In Ungarn ist „Mágnás Miska“ (Magnat Mischka) ein fester Bestandteil der Spielpläne. Die Operette von Albert Szirmai (oder Albert Szirmay, 1880 in Budapest als Albert Schönberger geboren) ist allerdings in anderen Ländern – ebenso wie die fast zwanzig anderen Operetten von ihm – völlig vergessen. Dabei handelt es sich um ein flottes Stückchen, das den Zeitgenossen Kálmán und Lehár nicht nachsteht. Nun habe ich die 1916 uraufgeführte Operette im Budapester Operettentheater gesehen und mich köstlich amüsiert. Was für eine wunderbare Operette. Man hat selten eine solch spritzige Parodie des ungarischen Landadels gesehen, der in einer grotesken Art und Weise völlig verblödet dargestellt wird: ein schon etwas seniler und vergesslicher Graf, seine dünkelhafte Gattin, seine Schwiegermutter als Kleptomanin und die vertrottelten Grafen Pixi und Mixi, die Angst haben, daß ihnen

Operettenrarität: „Der Carneval in Rom“ von Johann Strauß – Stadttheater Baden bei Wien – 2017

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Marie reist nach Rom Operettenrarität „Der Carneval in Rom“ von Johann Strauß im Stadttheater Baden bei Wien Eine Operettenrarität von Johann Strauß ist „Der Carneval in Rom“, 1873 im Theater an der Wien mit großem Erfolg uraufgeführt, danach von etwa 70 Theatern nachgespielt und dann in der Vergessenheit versunken. Das Stadttheater Baden bei Wien hat das Stück nun ausgegraben und in einer kurzweiligen Inszenierung auf die Bühne gebracht. Der Carneval in Rom: Michael Fischer (Enzio), Jerica Steklasa (Marie) Foto: Christian Husar Im Stück geht es um Marie, die von dem Maler Arthur Bryk sitzengelassen wurde und diesem nun nach Rom nachreist. Der macht aber gerade einer Gräfin den Hof. Also verkleidet sich Marie als Junge und wird als Beppino Lehrling des Malers. Im dritten Akt flirtet Beppino dann ebenfalls mit der Gräfin, um Arthur ihre Untreue zu beweisen. Und so kommt es zum Happy End: Marie bekommt ihren Arthur. Musikalisch steht das Stück in der Tradition der komi

Lehárs Operette „Der Graf von Luxemburg“ – Deutsche Oper am Rhein in Düsseldorf – 2016

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Quirlige Theaterkomödie  „Der Graf von Luxemburg“ an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf  von Klaus J. Loderer Als quirlige Komödie präsentierte Regisseur Jens-Daniel Herzog Lehárs Operette „Der Graf von Luxemburg“. Bo Skovhus gab den Grafen, der sein Vermögen verjuxte und sich in der Pariser Bohème herumtreibt. In einem Atelier in Paris (Bühne Mathis Neidhart) lernen wir, wie moderne Kunst entsteht: Florian Simson (Armand) und Lavinia Dames (Juliette Vermont) wälzen sich hierfür samt Chor mit viel Farbe auf der Leinwand. Graf René kommt derweil zu Geld, indem ihm ein reicher russischer Fürst (Bruce Rankin als russischer Gangster-Fürst) Geld anbieten, wenn er für drei Monate die Ehefrau von dessen Geliebter Angèle wird, damit diese einen adeligen Namen bekommt und dann vom Fürsten geheiratet werden kann. Von seiner Frau sieht der Graf allerdings erst einmal nur die Hand, an der er den Ehering befestigt. Diese Szene findet in Düsseldorf in der Wohnküche d

Premierenkritik: Richard Wagners „Walküre“ – Staatstheater Karlsruhe – 2016

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Tiefgefrorene Brünnhilde  Premiere von Richard Wagners „Die Walküre“ in Karlsruhe  Nun ging es weiter mit dem Ring am Staatstheater Karlsruhe. Vier Inszenierungsteams erarbeiten den neuen Ring. Nun waren Yuval Sharon (Regie), Sebastian Hannak (Bühne) und Sarah Rolke (Kostüme) mit der Walküre dran. Doch zu Beginn des zweiten Aufzugs klafft die Flurwand plötzlich auseinander und gibt des Blick frei in die nächste Raumschicht, eine Treppe, die von links unten nach rechts oben verläuft. Eine goldene Wand bildet den rückwärtigen Abschluss. Auch von dieser Treppe sehen wir weder Anfang noch Ende. Manchmal rutscht die Treppe etwas nach oben, manchmal nach unten – auch sie so ein unendliches Raumelement, auf der Wotan (Renatus Meszar) und Fricka (Ewa Wolak) ihren Streit austragen. Auch sie Gefangene in ihrer Welt. Die höhere oder niedrigere Stellung auf der Treppe kann dabei durchaus als bessere oder schlechtere Machtbasis gewertet werden, entsprechend schnellen die Positio