Operette „Ball im Savoy“ von Paul Abraham – Theater Koblenz – 2017
Im Art-Deco-Fotoalbum
„Ball im Savoy“ – Operette von Paul Abraham am Theater Koblenz
von Klaus J. Loderer
Spritzig, lustig, frech, frivol sind Adjektive, die gut zu Paul Abrahams Operette „Ball im Savoy“ passen und das gewürzt mit einer jazzig durch alle möglichen Kulturkreise flirrenden Musik, von der „Es ist so schön am Abend bummeln zu geh’n“ die bekannteste Nummer ist. Mit „Känguru“ ist Paul Abraham eine köstliche Parodie auf Modetänze gelungen.
„Ball im Savoy“ in Koblenz: Christof Maria Kaiser als Mustapha Bey mit seinen sechs ExfrauenFoto: Matthias Baus für das Theater Koblenz |
Es geht um ein frisch angetrautes Ehepaar Aristide und
Madeleine, das daheim von den lieben Freunden empfangen wird. Da bekommt
Aristide ein Telegramm seiner abservierten Verflossenen Tangolita, die genau in
dieser Nacht eine Stunde beim Ball im Savoy fordert. Sein Freund Mustapha Bey kommt
auf die Idee, dass man die Ausrede erfinden könnte, dass er seinem alten Freund
Pasadoble seine Aufwartung machen müsse. Allerdings existiert dieser berühmte
Komponist Pasadoble gar nicht und es ist im Haus ausgerechnet die einzige
Person, die weiß, wer sich hinter dem Pseudonym Pasadoble verbirgt, nämlich
Daisy Darlington. Und diese Daisy ist Madeleines Cousine aus Amerika und stutzt
natürlich sehr. Also macht sich nach Aristide auch Madaleine auf ins Savoy. Nach
einer köstlichen Doppelszene in den Separées 8 und 9, in denen sich Aristide
mit Tangolita und Madeleine mit dem schüchternen Célestin vergnügen oder
eigentlich doch nicht vergnügen, blamiert die eifersüchtige Madeleine aber
Aristide so drastisch, dass dieser am nächsten Morgen die Scheidung einleitet.
Allerdings kommt ausgerechnet der Rechtsreferendar Célestin, der die Situation
schließlich aufklärt und das Paar versöhnt sich wieder. Und Mustapha und Daisy
werden ein Paar.
Der Anfang der Koblenzer Aufführung ist durchaus
vielversprechend. Sehr schön gemacht ist die das Vorspiel illustrierende
Hochzeitsreise von Aristide und Madeleine um den Globus. Eine effektvolle Idee
ist das an einen Bilderrahmen erinnernde Bühnenbild mit großformatigen Fotos
oder einer Weltkarte, die uns den Verlauf der Hochzeitsreise andeuten. Die
Bilder sind transparent und ermöglichen Spiel davor und dahinter, das ist
geschickt angeordnet. So sieht man schemenhaft die Hochzeit in einer Kirche.
Für die eingebaute Gesangsnummer schaut man auf die Rialto-Brücke in Venedig und
Aristide und Madeleine werden auf einer halben Gondel hereingefahren.
Überhaupt bitetet das von Kristopher Kempf entworfene
Bühnenbild vielfältige Möglichkeiten der Vergrößerung und Verkleinerung des
Raums. Die hintereinander geschachtelten roten Wände mit ihren geometrischen
Strukturen zitieren Art-Deco-Muster ohne eigentliche Zimmer zu bilden. Wenige
aber markante Möbelstücke deuten im ersten Akt den Salon von Aristide an: ein
Ledersofa, links ein Tisch mit Telefon und der kuriose Hausbar-Globus. Der eigentliche
Handlungsort Nizza ist nach Berlin verlegt. Frivole Komödien um liberale
Ehestrukturen spielen eben immer in Frankreich, da folgen Paul Abrahams
Librettisten Alfed Grünwald und Fritz Löhner-Beda ganz der Tradition von „Die
lustige Witwe“, ganz abgesehen, dass die Handlung von „Ball im Savoy“ auf einem
französischen Theaterstück basiert. Die Verlegung der Handlung nach Berlin
bietet Regisseur Ansgar Weigner die Möglichkeit einer historischen Einordnung
des Stücks. Die Premiere von „Ball im Savoy“ fand nämlich am 23. Dezember 1932
in Berlin statt, also wenige Wochen vor der Ernennung Adolf Hitlers zum
Reichskanzler und der schon bald beginnenden Verdrängung jüdischer Künstler aus
dem Kulturleben. So erleben wir in der Koblenzer Inszenierung einen Stimmungswandel
vom noch unbeschwerten ersten Akt über einen kuriosen Auftritt Hitlers als
Fetischhündchen beim eigentlichen Ball im Savoy, der von Oberkellner
rausgeworfen wird, bis hin zum bedrohlichen Aufmarsch des Chors im Finale mit
Nazi-Schergen und Deutschem Gruß und der Flucht von Aristide und Madeleine von
der Bühne. Das erinnert uns an die Flucht deutscher Juden aus Deutschland. Paul
Abraham selbst gehörte ja zu diesen Flüchtlingen. Er schaffte es weit genug weg
und entging dadurch der Deportation in ein Konzentrationslager. Librettist
Fritz Löhner-Beda war in Wien nicht weit genug weg. Er überlebte Auschwitz
nicht. Auch für die aus Ungarn stammende Uraufführungsbesetzung Gitta Alpár
(eigentlich Regina Klopfer) und das Ehepaar Rosy Barsony (eigentlich Róza
Sonnenschein) und Oskar Dénes bedeutete das Dritte Reich einen drastischen
Karriereeinschnitt.
Und trägt dieses Konzept in Koblenz? Es überzeugt eher
nicht. Die Inszenierung dümpelt im ersten Akt vor sich hin. Sie ist nicht
richtig charmant, sie ist auch nicht richtig frech. Der Ball im Savoy ist dann
durch etwas skurile Chor-Kostüme (Kritopher Kempf) und witzige Ballett-Kostüme
aufgebretzelt, wobei die Ballettherren als Lederhöschen-Harness-Fetisch-Buben
entsprechend den durch Barrie-Kosky-Operetten-Inszenierungen gerade sehr in
Mode gekommenen „Tuntengeschwadern“ nicht fehlen dürfen. Oh, man gibt sich
anrüchig.
Dass das Publikum nach den Nummern überhaupt nicht klatscht,
dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass viele Gags einfach verpuffen und
die textlichen Witzchen einfach nicht zu verstehen sind.
Welchen Zweck haben Mikroports im Theater? Die Mikrophone
und die Beschallung sollen dazu dienen, dass die Bühendarsteller nicht so
schreien müssen und man sie in großen Räumen besser verstehen kann. Nun ist das
Theater Koblenz nicht gerade ein großer Raum – aber wenn man die Künstler
besser verstehen kann, mag elektronische Beschallung einen Sinn haben.
Allerdings bleiben gesprochene und gesungene Texte in Koblenz absolut
unverständlich. Um es ganz deutlich zu sagen: man versteht praktisch kein Wort.
Der einzige verständlich sprechende und singende Darsteller ist Christof Maria
Kaiser. Michael Siemon ist kaum zu hören, während Désirée Brodka völlig
übersteuert klingt. Hoffen wir, dass das ein technisches Problem in nur dieser
Vorstellung ist. Allerdings trübt eine solche akustische Einschränkung den
Genuß schon sehr.
Eine Operette ist ein Genre, in dem auch gesungen wird. Und
dieser Aspekt ist in Koblenz auch ein gewisses Problem. Aber freuen wir uns zunächst
an Christof Maria Kaiser, der die Rolle des türkischen Botschaftsattachées
Mustapha Bey vorzüglich ausfüllt und mit Lässigkeit und seiner markant leicht
kratzigen Stimme für das gewisse Orientaltische dieser Rolle sorgt. Da machen
sowohl die Pointen um seine sechs Exfrauen (wobei ich bei wiederholten
Zählversuchen auf der Bühne nur auf fünf komme – Olga aus Moskau ist irgendwie
nicht da) wie die witzigen Couplets – etwa „Wenn wir Türken küssen“ – Spaß.
Haruna Yamazaki ist als Miss Daisy ein passender Gegenpart im Buffopaar.
Michael Siemon bleibt als Aristide ziemlich blass. Bei Désirée Brodka würde ich
mir wünschen, sie bliebe blaß und ist doch leider schrill und laut. Die
Gestaltung des Chansons „Toujours l’amour“ ist akzeptabel, mit weiten Teilen der
Partie ist sie schlicht überfordert. Anne Catherine Wagner veleiht der
argentinischen Tänzerin Tangolita eine schön anrüchige Note. Die musikalische
Leitung des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie hat Daniel Spogis.
Besuchte Vorstellung: 3. Dezember 2017
(Premiere 28. Oktober 2017)
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