Operette: Paul Abrahams „Ball im Savoy“ – Theater Koblenz – 2017

Und extra auf finnisch übersetzt

– Paul Abrahams „Ball im Savoy“ am Theater Koblenz – 

von Matthias Woehl

Ach, es könnte so schön sein, denn Paul Abrahams „Ball im Savoy“ hat nun wirklich alles, was eine gute Operette braucht. Schmissige Schlager, herrliche Liebesduette, Tolle Tanzpassagen, eine witzige Handlung sowie den nötigen Schuss Romantik. Das spannende an Abraham ist vor allem, wie er es versteht Wiener Walzer, Chanson als auch amerikanische Tanzmusik zu einem wunderbaren Cocktail zu verschmelzen. Eigentlich ist alles da, und es bräuchte nur noch einen Regisseur, der das mit ein paar netten Ideen zu bebildern versteht. Doch das gelingt Ansgar Weigner leider nicht. Seine Protagonisten haben auf der Bühne wenig miteinander zu tun. Hier und da sind hübsche Ansätze auszumachen, aber es funktioniert einfach nicht. Alle Protagonisten bleiben blass, große Auftritte verpuffen, Beziehungen sind gar nicht zu erkennen, es fehlt einfach an Charme und Romantik. Um zu zeigen, daß man auch politisch ist, muss zum Ende das Ganze noch in die Nazizeit überschwappen, wo die Hakenkreuz-Armbinde natürlich nicht fehlen darf. Das schlimmste aber ist, es muss das aktuelle „Barrie-Kosky-Revue-Konzept mit tuntigen Hupfdohlen im Harness und Leder-Höschnen nachgealbert werden, was vielleicht in Berlin ein „Knaller“ ist, aber in Koblenz einfach nicht funktioniert. So sehr man sich auch bemüht, mit Knall-Bumm endet eine Musiknummer und das Publikum schweigt, es wird ganz oft nicht geklatscht.

Christof Maria Kaiser in "Ball im Savoy" in Koblenz
Foto: Matthias Baus

Das liegt aber nicht nur an der Inszenierung alleine. Trotzdem wir uns in einem der kleinsten Stadtheater Deutschlands mit Opernsparte befinden, wird das Spektakel mit Mikroport verstärkt. Doch oh Wunder, der Ton kommt im Zuschauerraum nicht an. Man versteht einfach nichts.

Erschreckend ebenfalls die sogenannte Wortverständlichkeit des Sängerensembles nebst deren Gesangsleistungen. So sehr man sich bemüht, alles klingt wie eine Operette auf Finnisch. Völlig fehlbesetzt ist Michael Siemon als Marquis Aristide. Das ist so gequält und so farblos, ohne Spannung, einfach langweilig. Seine Madeleine ist Désirée Brodka. Hier hören wir eine Sängerin mit einer völlig verbrauchten Stimme, was wir schon am extremen wackeln der Zunge erkennen, ein Beweis für den Verschleiß. Beim Singen wackelt ihre Stimme über Oktaven, in der Mittellage spricht sie, setzt aber, oder besser versucht, immer mal wieder, in schönstem Operetten-Stil, eine Sommerwohnung aufzusetzen. Das gelingt aber nur selten. Szenisch ist sie ebenfalls keine überzeugende Marquise, was aber auch  am ausgesucht uneleganten Kostümbild liegt.

Großartig aber die Darstellung von Christof Maria Kaiser als Mustafa. Ihn versteht man als einzigen und er ist in der Lage eine überzeugende Figur zum Leben zu erwecken. Niedlich seine Daisy Darlington, an diesem Abend Haruna Yamazaki, aber auch sie ist eigentlich nicht zu verstehen. Hoffnung macht Anne Catherine Wagner als Tangolita, aber ihre Rolle wird dann von der Regie einfach zu sehr überzeichnet, was in dem farblosen Einerlei dann schon wieder lächerlich wirkt. Erklingt dann aber der wohl berühmteste Schlager der Operette, das „Es ist so schön am Abend bummeln zu gehen“, erwacht sogar das Publikum aus seiner Starre, und so wird wenigstens ein paar Mal herzlich geklatscht. Wie kann das eigentlich passieren? Müssen jetzt alle Operetten in Schützengräben spielen? Hat denn ein jeder Angst vor ein bisschen Kitsch und Romantik? Wie kann etwas verstärkt sein und ist nicht zu verstehen? Wie kann es sein das man die Protagonisten nicht mal beim Sprechen versteht? Wirklich traurig über das alles, und bedauernd, sich dafür durch Schnee und Eis gequält zu haben, trete ich die Rückfahrt an.

Besuchte Vorstellung: 3. Dezember 2017

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